Wenn es nochmals etwas freier sein darf:
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Grachan Moncur III - Evolution, Blue Note RvG Remasters
Lee Morgan trumpet / Grachan Monchur III trombone / Jackie McLean alto sax / Bobby Hutcherson vibes / Bob Cranshaw bass / Tony Williams drums. Recorded 21.11.1963 NYC, Toningenieur: Rudy Van Gelder
Wer mit Eric Dolphy, Andrew Hill und Jackie McLean etwas anzufangen weiß ist hier richtig. Ungewohnt avantgardistische Töne für das Jahr 1963 von einer Spitzenbesetzung, extrem spannend sowie faszinierend, keine Free-Jazz-Kakophonie

. In etwa ein amerikanisches Pendant zu Albert Mangelsdorff, wobei aber ein solcher Vergleich immer hinkt.
Zu dieser Platte fällt mir zunächst zweierlei ein:
1. Die Ehrfurcht, mit der wir, nämlich mein Bruder Hartmut und ich, seinerzeit den Namen "Grachan Moncur" ausgesprochen oder gemurmelt haben, obwohl keiner von uns beiden diese Musik gekannt hat. "Grachan Moncur" hatte einen so heilige Schauer auslösenden Klang wie "Albert Ayler" (vgl. My Name Is Albert Ayler [UK-Import]) und "Pharoah Sanders" (vgl. Tauhid).
2. Ein blind-fold test im Jazz Podium mit dem Schlagzeuger Ralf Hübner (damals beim Albert Mangelsdorff Quintet), in dem er berichtete, dass man seinerzeit (d. h. 1964/65) im Frankfurter Jazzkeller "Evolution" fast ohne Unterbrechung gehört habe. "Was dieser junge Williams spielt, ist einfach unglaublich".
43 (!) Jahre mussten vergehen, bis ich diese Platte endlich hören kann. Ich habe sie - natürlich von meinem Bruder, von wem sonst? - zu meinem 61. Geburtstag geschenkt bekommen.
Und das Hören lohnt sich wirklich.
Zusammen mit Jackie McLean (as), Lee Morgan (tp), Bobby Hutcherson (vib), Bob Cranshaw (b) und dem erst 18-jährigen (!) Anthony "Tony" Williams (dr) spielt der Posaunist Grachan Moncur III vier von ihm selbst komponierte Stücke.
Die Musik könnte man wohl als "gemäßigte Avantgarde" oder als "abstraction" bezeichnen - bezogen auf das Aufnahmejahr 1963. Doch zur Entwarnung: Es ist k e i n Free Jazz.
Der BLUE-NOTE-Begründer Alfred Lion (1909-1987) hat beträchtlichen Mut mit der Produktion dieser Platte bewiesen, denn es war klar, dass damit kein prominenter Platz in den Charts zu erlangen war.
"Air Raid" ist alternierend ominös und erschreckend (das soll nicht als Abwertung verstanden werden!), das Titelstück gemahnt an Bestattungsmusik (die Bläser spielen bei der Themenvorstellung nur ganze Noten), "The Coaster" ist als Thema nicht so bemerkenswert, bietet aber vorzügliche Soli. Das letzte Stück, "Monk in Wonderland", ist selbstverständlich 'monkish'. Besonders Hutcherson und Williams scheinen mir ein besonderes Sensorium für die melodische, harmonische und rhythmische Motorik von Thelonious Monk (1917-1982) an den Tag zu legen.
Die Beiträge von Hutcherson und Williams gefallen mir insgesamt am besten, doch sind Moncurs, McLeans und Morgans musikalische Leistungen nicht zu beanstanden. Bemerkenswert an Morgan ist, dass er, der sprichwörtliche Hard-Bop-Trompeter, sich bruchlos in das musikalische Geschehen einfügt. Cranshaw bleibt eher unauffällig, was auch an der Aufnahmephilosophie Rudy van Gelders liegt: Vorzugsweise höre man den Bass nur ganz schwach.
Leider ist Moncurs zweite Platte Some Other Stuff zu einem zivilen Preis derzeit nicht zu bekommen. Es ist zu hoffen, dass BLUE NOTE bald eine Neuauflage wagt.
Ein Kuriosum ist zu vermerken: Bob Cranshaw firmiert auf der Vorderseite als "Bob Crenshaw" ("e" statt "a"). Angesichts der Sorgfalt, mit der BLUE-NOTE-Platten produziert wurden (und werden), kann man sich nur wundern. © Dr. Host Wolfgang Boger/amazon
PS: die vermerkte
Some other stuff gibt es, ebenso wie die Besprochene, zum Spottpreis in Amazonien und bei zweidausendheinz...
Grüße
Axel